Zu einem vollen Erfolg wurde der kulturell-politische Abend der Konservativen Mitte am Donnerstag, den 25.04.2024 in Dippoldiswalde. Etwa 300 Interessierte waren in die Parksäle gekommen, um die Lesung von Erfolgsautor Uwe Tellkamp und die Diskussion mit Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg, der als Vorstandsmitglied im Podium saß, mitzuerleben. Mit dem Zitat „Einen Finger kann man brechen – aber fünf Finger sind eine Faust“ endete der Abend ermutigend, dass eine starke Gemeinschaft sehr wohl etwas bewegen kann.
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Tellkamps Jugend in Dippoldiswalde
Tellkamp hat zu Dippoldiswalde stets ein spezielles Verhältnis gehabt. Als Abiturient an der EOS „Glückauf“ und Schüler des bekannten Musiklehrers Wolfgang Mende hatte er dort prägende Jahre seiner Jugend verbracht. Diese ließ er zusammen mit OB Rumberg gleich zu Beginn der Veranstaltung Revue passieren. In seinem mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman „Der Turm“ aus dem Jahr 2008 wurden der Lehrer und die Stadt selbst ausgiebig thematisiert.
Die Kindheit in der DDR und die damit verbundenen Erfahrungen waren nur eines von mehreren Themen, die an diesem Abend zur Sprache kamen. Tellkamp und Rumberg hatten gemeinsam, dass sie das Leben in ihren jungen Jahren als geborgen und wohlbehütet empfanden. Allerdings mussten sie auch unweigerlich herausfinden, dass sie es mit einem System zu tun hatten, dessen Vorstellungen für ihre Zukunft sich nicht mit ihren deckten.
„Kriegstreiber, macht euch vom Acker!“
Uwe Rumberg erfuhr, dass der Besuch der freiwilligen „Christenlehre“ nicht gerne gesehen war. Die fehlende Zuverlässigkeit der Familie im Sinne der SED-Ideologie hatte auch zur Folge, dass das System seinen Bildungsweg kurzzuhalten versuchte. Er erzählte auch über den Einfluss seines Vaters, der Krieg und Gefangenschaft miterlebte. Dieser sei es gewesen, der zum einen seinen Bildungsehrgeiz aufrechterhielt – und zum anderen seine klare Position für den Frieden inspirierte.
Seine Botschaft sei gewesen, immer Frieden mit Russland zu halten, und an dieser Notwendigkeit, so unterstrich Rumberg auch am Donnerstag in Dippoldiswalde, habe sich bis heute nichts geändert. Er wies „abgründige“ Forderungen nach „Kriegstauglichkeit“ zurück und beharrte auf dem Recht unserer Kinder und Enkelkinder, in Frieden zu leben. An die Eskalationspolitiker in Berlin richtete er die Botschaft:
„Kriegstreiber, macht euch vom Acker!“
Tellkamp verband mit dem Leben in der DDR schon früh das „Leben mit gespaltener Zunge“ und damit, dass es Wissen gab, das nur für zu Hause, aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. In der Rückschau habe er „den Staat als feindselig erfahren, aber nicht das Land“.
„Keine Gleichschaltung, sondern Gleichstimmung der Medien ist erkennbar.“
Ein weiteres Schwerpunktthema des Abends waren Medien und ihr Agenda Setting. In einem Ausschnitt aus dem 2022 erschienenen Roman „Der Schlaf in den Uhren“ skizzierte Tellkamp Mechanismen, die in frappierender Weise an die Zustände im heutigen Deutschland erinnern.
Uwe Rumberg erinnerte an die Stigmatisierungskampagne gegen die Stadt Freital im Jahr 2016, als diese bundesweit zum Symbol für Fremdenhass und Rechtsextremismus gestempelt wurde. Sein Eindruck sei gewesen, dass „an uns für die gesamte BRD ein Exempel statuiert werden sollte“. Dies sei als Warnung an alle Kommunen im Land geschehen, nicht allzu entschieden Realismus in der Flüchtlingspolitik anzumahnen.
Man bleibe bei der Position, jederzeit solidarisch zu sein und zu helfen. Allerdings dürfe dies nicht unter unkontrollierten Bedingungen vonstattengehen. Auch hier hätten Erzählungen seines Vaters aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft ihn geprägt. Es gebe das Phänomen eines „Lagerkollers“, wenn viele Menschen auf engstem Raum zusammengepresst seien. Diese schaffe „Situationen, die nicht mehr beherrschbar sind“ – und diese sollten in Freital nicht entstehen.
Tellkamp ging auf die Frage ein, ob es eine Art Gleichschaltung in deutschen Medien, wie es sie in der DDR gegeben habe, auch heute noch gäbe. Er verneint dies, diagnostizierte jedoch eine verbreitete „Gleichstimmung“, inspiriert von Leitjournalisten und getrieben von Sachzwängen, die sich in Konformismus äußere. Der Mut zur Abweichung schwinde, was an schnell greifenden Disziplinierungsmaßnahmen liege. Diese hätten sich im Kontext der Coronaberichterstattung gezeigt – als etwa die „Berliner Zeitung“ oder der „Nordkurier“ vorsichtige Kritik äußerten.
Außerdem sei eine westdeutsche Arroganz in der heimischen Medienlandschaft dominant. Wenn es sich anbiete, gebe es auch eine Praxis des „Nudgings“. Dieses „Anstupsen“ der Journalisten bedeutet, dass diese durch exklusive Informationen aus erster Hand beeinflusst werden, die bei Abweichung entzogen werden.
„Sei der Sand im Getriebe und nicht das Öl!“
Bezüglich der Wahlen betonten Tellkamp und Rumberg die Wichtigkeit der Teilnahme und des Vertrauens in den demokratischen Prozess, trotz langwieriger Veränderungen. Sie empfehlen im Umgang mit den derzeitigen Problemen arbeitsteilige Strukturen für Krisensituationen und notfalls zivilen Ungehorsam. Dieser habe in einigen Fällen während der Corona-Maßnahmen Erfolge gezeitigt.
Rumberg unterstrich die Wichtigkeit der Solidarität: „Alle, die wollen, dass sich in dem Land etwas ändert, sollen zusammenhalten.“ Er zitierte den dem Arbeiterführer Ernst Thälmann zugeschriebenen Ausspruch „Einen Finger kann man brechen – aber fünf Finger sind eine Faust“. Damit machte er deutlich, dass sich dieser bereits beim gemeinsamen Austritt aus der CDU und der Gründung der Konservativen Mitte bewährt habe. Gemeinsam sei man stark.
Freitals OB zeigte sich am Ende des Abends „erleichtert, weil wir so ehrlich sprechen durften, wie wir in der Demokratie sprechen dürfen sollten“. Er rief dazu auf, nicht resigniert zu sein, sondern die Veränderung friedlich anzustreben, indem man „der Sand im Getriebe und nicht das Öl“ sei. In Zeiten wachsender öffentlicher Unzufriedenheit mit dem politischen Mainstream stelle sich die Frage:
„Was kann schon passieren, wenn wir viele sind?“